Ich bin soeben auf einem anderen Blog auf einen interessanten Post gestoßen. Leider äußert sich der Autor nicht selbst sondern verlinkt nur auf eine andere Seite, das hindert mich aber nicht daran, zu den Punkten Stellung zu beziehen. Also zuerst einmal die Links:
http://wissenschaftkanal.blogspot.com/2010/07/ist-die-kritik-intelligent-design.html
http://www.intelligentdesigner.de/kritik.html
Wie wir sehen, sind einige, wohl oft von Evolutionstheoretikern in den Raum gestellte Aussagen bzw. Kritikpunkte zum Intelligent Design, der Kern des Posts. Intelligent Design ist eine Betrachtung des Universums unter der Annahme, dass es eine Intelligenz gegeben hat oder gibt, die Einfluss auf dessen Entwicklung hatte oder hat. Schauen wir uns die Punkte also einmal an…
“Kritikpunkt 1: Die Intelligent-Design-Theorie sei nicht auf die Ursprungsfrage anwendbar”
Vorab: ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Kritiker des Intelligent Designs so eine Aussage trifft. Kritisiert man das Intelligent Design, so tut man das nicht nur in Bezug auf Leben sondern generell. Warum sollte das Leben völlig natürlich, andere Dinge aber gesteuert entstanden sein? Für mich jedenfalls ergibt das wenig Sinn.
”wenn außer Frage steht, dass Informationen außerhalb von Lebewesen ausschließlich durch Intelligenz erzeugt werden können” Hierauf muss ich kurz eingehen, da diese Aussage für alles Weitere von Bedeutung ist. Zunächst einmal grenzt derjenige, der diese Aussage trifft, ganz klar lebendige von toter Materie ab und bekennt sich schon damit zum Intelligent Design. Abgesehen davon vertritt er die Auffassung, dass eine im Vergleich zur Umgebung verringerte Entropie, also Ordnung, keine Information ist. Dazu muss ich irgendwann mal etwas ausführlicher schreiben, sehr interessantes Thema. Kurz zusammengefasst verweigert der Autor mit dieser Aussage aber selbst dem Menschen den Status eines Information enthaltenden Gebildes. Zu guter Letzt ist die eigentliche Aussage, dass Information nur durch Intelligenz entstehen kann, absurd. Auf den ersten Blick mag man vielleicht an einen Laptop denken, der definitiv mehr Information in Form von Ordnung enthält als die nicht zusammengesetzten, herumliegenden Einzelteile. Und natürlich ist nur der Mensch in der Lage, ihn zu einem funktionierenden Gerät mit geringer Entropie zusammenzusetzen, also eine Intelligenz. Doch betrachtet man natürliche Phänomene wie einen Stern, der sich per Gravitation bei seiner Entstehung “von selbst” aus Gasen geringer Informationsdichte zu einer abgegrenzten Plasmakugel höheren Informationsgehaltes formt, so kommt man ins Grübeln. Wie gesagt, zu diesem Thema gibt es noch weit mehr zu schreiben, werde ich eines Tages nachholen…
Beim Rest des Textes sehe ich den Zusammenhang mit dem eigentlichen Thema nicht und spare ihn mir daher.
“Kritikpunkt 2: Die Intelligent-Design-Theorie ist nichts weiter als Kreationismus im neuen Gewand”
Das ist natürlich nicht so – sagt der Autor. Schließlich hätten Evolutionstheorie und Kreationismus mehr gemein als letzterer mit dem Intelligent Design, wobei das Intelligent Design argumentativ überlegen sei. Um jetzt nicht den ganzen Text mit dezent verstecktem, ironischen Unterton wiedergeben zu müssen, fasse ich eben zusammen:
1) Die Evolutionstheorie stellt Behauptungen oder Vermutungen über den Beweis
2) Die Evolutionstheorie ist eine Weltanschauung (vermutlich ist der Materialismus gemeint)
3) Sie argumentiert gegen experimentelle Beweise und beobachtbare Tatsachen
4) Die ID-Theorie beobachtet Vorgänge und untersucht sie auf Spuren intelligenter Herkunft
5) Die ID-Theorie hat sowohl Makroevolution als auch Abiogenese widerlegt
6) Die falschen Aussagen der ET werden von Wissenschaftlern gegen die Realität verteidigt
7) Wissenschaftler, die in die ET vertrauen, legen religiösen/missionarischen Eifer an den Tag, versuchen, Dogmas aufzustellen und zu verteidigen und biegen die Realität passend zur Theorie zurecht
Ich denke ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich für oben genannte Punkte zwei Erklärungsmodelle anbiete:
- Der Autor des Textes untermauert seine Thesen gezielt und absichtlich mit Falschinformationen
- Der Autor des Textes ist mangelhaft und/oder falsch informiert und weiß es schlicht nicht besser
Wobei ich eher nicht an die zweite Erklärung glaube. Im Gegensatz zu all den Youtube-Videos zum Thema ist hier eine korrekte Rechtschreibung, vernünftiger Satzbau und so etwas wie eine Argumentationskette erkennbar.
Gut, schauen wir uns also einmal die Realität an, die ich, seit ich auf intelligentdesigner.de herum lese, vermisse. Doch zunächst rufe ich den Autor dazu auf, seine Behauptungen mit irgendetwas zu untermauern anstatt sie einfach in den Raum zu stellen.
1) Eine wissenschaftliche Theorie kann nicht bewiesen werden, es gilt das Prinzip der Falsifizierbarkeit. Das bedeutet, dass eine Theorie einen einzigen, stichhaltigen Gegenbeweis erfordert, um sich als falsch zu erweisen. Das gelang bei der ET bisher noch nicht. Auf der anderen Seite gibt es jedoch eine Fülle an Beobachtungen, die für die Theorie sprechen.
2) Die ET ist keine Weltanschauung sondern eine wissenschaftliche Theorie. Solche Formulierungen dienen lediglich der Polarisierung.
3) Das ist eine schlichte Lüge, das Gegenteil ist der Fall. Ich bitte um einen Beleg.
4) Das ist richtig. Warum reine Beobachtung plus Interpretation durch Menschen einen Beweis für ID ergeben soll ist mir allerdings schleierhaft.
5) Weder Makroevolution noch Abiogenese sind widerlegt. Sollte ich mich irren bitte ich auch hier um Belege.
6) Die Evolutionstheorie muss nicht verteidigt werden um anerkannt zu werden. Es reicht, sie zu widerlegen, um sie aus der Welt zu schaffen. Was bisher noch nicht geschehen ist.
7) Hier spricht der Autor vermutlich mit dem Wissenschaftler, den er jeden morgen im Spiegel sieht
Zusammengefasst bietet die Antwort auf den zweiten Kritikpunkt nichts weiter als eine Ansammlung von unbelegten Aussagen, die den Leser auf die “richtige” Seite ziehen sollen. Sollten hier Belege folgen, wovon ich nicht ausgehe, so kann ich auch mit mehr als einer Richtigstellung der Tatsachen antworten.
“Kritikpunkt 3: Information in Lebewesen kann sich ganz allmählich verändern”
Hier soll nun auf anschauliche Weise gezeigt werden, dass sich Zwischenformen von einer Entwicklungsstufe eines Merkmals zu einer höheren niemals hätten durchsetzen können. Illustriert wird dies anhand eines Satzes (“Wer andere kritisiert, wird nicht von eigener Leistung befreit.”) der sich wunderbar auf den Autor des Textes anwenden lässt.
Allerdings verhält sich die Sprache nicht wie die DNA, der Vergleich ist denkbar unpassend. Leider hat der Autor nicht genügend Webspace zur Verfügung, um DNA-Codes zu vergleichen, daher müssen wir uns mit den Beispielsätzen begnügen. Schade, so bleibt eine vernünftige Betrachtung des Themas unmöglich.
Natürlich wollen wir die angebliche Widerlegung des Kritikpunktes nicht so stehen lassen und bringen unsererseits das Beispiel, das dem Autor offensichtlich gefehlt hat. Das Auge. Sehr oft wird angeführt, dass ein Auge nur als vollständiges Organ funktionieren könne und Zwischenformen dazu verdammt seien, nicht oder schlechter zu arbeiten. Dass durch genetische Veränderung bedingte Nachteile selektiert werden will ich gar nicht bestreiten. Allerdings handelt es sich hier, wie bei anderen beliebten Beispielen, um eine Fehlannahme. Zu diesem Thema forscht z.B. Dan-Eric Nilsson von der Lund University in Lund, Schweden. 2009 veröffentlichte er eine Analyse zur Evolution des Sehens, die im Internet kostenlos abrufbar ist. Kurz zusammengefasst wird im Artikel zum einen der Grund für eine Veränderung des Sehapparates diskutiert. Zum anderen teilt Nilsson die Entwicklung des Auges in vier übergeordnete Stufen ein, anhand derer sich eine Transformation in kleinen Schritten sehr gut nachvollziehen lässt:
1) lichtempfindliche Zellen auf der Haut, mit denen sich nur hell und dunkel ausmachen lässt,
2) eine Einstülpung der lichtempfindlichen Zellen in die Haut, mit denen die Richtung des Lichteinfalls bestimmbar wird,
3) eine Verengung an der Oberfläche der Einstülpung (vergleichbar mit einer Iris), die ein schärferes Bild ermöglicht,
4) die Bildung einer Linse aus Wasser, die ein scharfes Bild bei hoher Lichtempfindlichkeit bietet
Die Entwicklung des Auges lässt sich als fließender Übergang betrachten
Wer sich die komplette Studie anschauen möchte, der klicke hier:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2781862/?tool=pubmed
Nun kommen wir zu weiteren Kritikpunkten, die von Lesern der Seite eingereicht wurden und daher deutlich weniger sinnfrei wirken als z.B. der erste Punkt.
“Kritikpunkt 4: Interessant wäre es, ID-Theoretiker würden klar sagen, welcher Designer wann wo welche Struktur wie geschaffen hat. Dann hätten sie so etwas wie eine prüfbare Aussage.”
Columbo schaut sich einen Mord an, der zunächst wie ein Unfall aussieht. Schnell wird klar, dass der Tote Opfer eines Verbrechens wurde. Und daraus folgt, dass es einen Täter gegeben haben muss. Auf den ersten Blick eine interessante Parallele zur Natur bzw. dem Intelligent Design. Leider wird auch hier die Komplexität der Natur nicht verstanden. Doch was erwartet uns stattdessen? Keine Überraschung sondern die altbekannte Pseudoargumentation.
“Wenn man die ID-Theorie schließlich auf die Ursprungsfrage anwendet und auf die Frage woher die Vielfalt des Lebens stammt und was die Ursache ihrer Entfaltung ist, anwendet, so ist die Vorgehensweise immer dieselbe. Komplexe Informationen […] sowie komplexe, fein aufeinander abgestimmte und interagierende Mechanismen, Funktionen und Strukturen in der Natur, insbesondere in Lebewesen, lassen unwillkürlich auf eine intelligente Ursache schließen.”
Das ist vielleicht der Fall. Allerdings muss der erste Eindruck nicht immer der Richtige sein. Nun wird es etwas haarsträubend, doch zuvor ein paar Fakten. Der Autor geht davon aus, dass die ID-Theorie die beste Erklärung für unsere Beobachtungen bietet. Woraus folgt, dass er einen Schöpfer vermutet, der hinter den komplexen Systemen steht, die wir heute sehen. Ein solcher Schöpfer müsste über den Naturgesetzen stehen und nicht an Kausalzusammenhänge gebunden sein. Er wäre also quasi allmächtig. Schließlich behauptet der Autor (im letzten Zitat) dass man auf den ersten Blick von einer schaffenden Intelligenz ausgehen müsse, schaut man sich die Natur an.
Nun kommt Columbo zurück. Natürlich würde ein Schöpfer, genau wie der Mörder im Krimi, sein Werk als natürlich entstanden bzw. Unfall darstellen wollen. Warum er das wollen sollte leuchtet mir zwar nicht ganz ein, lassen wir es aber einmal so stehen und fassen das bisher Gesagte in einer Schlussfolgerung zusammen:
Der Autor von intelligentdesign.de behauptet von sich, das von seinem Schöpfer als natürlich entstanden getarnte Universum durch simple Beobachtung entlarven zu können. Ein solcher intelligenter Designer, der, wie schon festgestellt, allmächtig sein muss, bekommt es also offensichtlich nicht hin, sein Universum ausreichend zu tarnen. So schlampig war bisher noch kein einziger Täter bei Columbo. Gehen wir also von einem mit unvorstellbarer Macht ausgestatteten Designer aus, so müssen wir vermuten, dass sein als natürlich getarntes Werk derartig gut versteckt ist, dass wohl kein Mensch je dahinter kommen kann.
Was haben wir nun unter dem Strich? Entweder ist das Universum planvoll konstruiert – was wir aufgrund der dafür notwendigen Allmacht des Konstrukteurs aber niemals erfahren würden. Oder das Universum ist tatsächlich auf natürlichem Wege entstanden. In beiden Fällen müssen wir das Universum als natürlichen Ursprungs betrachten, da wir aufgrund der bisherigen Ausführungen niemals eine Chance hätten, ein von einem allmächtigen Wesen erschaffenes und als natürlich getarntes Universum je als solches zu erkennen. So liefert die Evolutionstheorie in beiden Fällen die realitätsnähere Beschreibung.
Angenehmerweise bietet uns der Autor die Reduzierung der ID-Theorie auf eine Aussage an. Um das Intelligent Design zu belegen müsse man nicht herausfinden, was das für ein Schöpfer war, wo und wann er geschaffen hat oder welche Zahnpasta er benutzte. Sondern nur, DASS es einen intelligenten Designer gab. Leider ist das, wie wir weiter oben schon festgestellt haben, ein Ding der Unmöglichkeit.
So bleibt zu sagen, dass von der Intelligent-Design-Theorie nach den Ausführungen des Autos nicht viel mehr übrig bleibt als das Bild einer in den Raum geworfenen, nicht beweisbaren Spekulation. Schade vor allem deshalb, weil sich die ID-Anhänger so gerne auf die Wissenschaft berufen. In der falsifizierbare Aussagen getroffen werden müssen.
“Kritikpunkt 5: ID-Theoretiker bringen immer Beispiele aus der Technik. Da schimmert immer Paley mit seinem 'Beweis' durch, dass geschaffene Gegenstände einen Schöpfer haben. Unterscheiden sich Lebewesen, die zur Veränderung und Vermehrung fähig sind, nicht grundlegend von Gegenständen?”
Die Ausführungen zur Software, die etwa zwei Drittel des Textes ausmachen und sich leider nur scheinbar von den kritisierten Gegenstand-Beispielen unterscheiden, lasse ich mal weg. Irrelevant, da der Kritik nicht widersprechend.
Und auch der Rest besteht leider nur aus Polemik nach dem Motto “was ist wohl wahrscheinlicher?” oder “schaut Euch die Komplexität an, das muss geschaffen worden sein!”, auf Beweise hingegen wird großzügig verzichtet. Insofern spare ich mir etwas Zeit und gehe weiter zum nächsten Punkt.
“Kritikpunkt 6: Intelligent-Design-Vertreter argumentieren nach folgender Regel: Evolution kann nicht funktionieren, also war es Intelligent Design.”
to be continued…