Sonntag, 11. Juli 2010

Die Evangelikalen und die Evolution

Endlich mal ein Post zum eigentlichen Hauptthema dieses Blogs. Doch zunächst einmal ein paar Zahlen. Dass der Kreationismus, also der Glaube an die Schöpfungsgeschichte der Bibel und Gott als alleinigen Erschaffer aller existierenden Lebewesen, in den USA weit verbreitet ist, wissen die meisten. Dass es mehr als zwei Drittel der Bevölkerung der USA betrifft wohl eher nicht. Doch auch in Deutschland gibt es eine zwar meist gemäßigte aber dennoch zahlenmäßig beeindruckende Anhängerschaft.

Etwa 20% aller Deutschen stehen der Evolutionstheorie zumindest skeptisch gegenüber
Laut einer Umfrage unter 1200 Lehramtstudenten akzeptieren 15% die Theorie nicht
Unter angehenden Biologie-Lehrern zweifeln stolze 7% an der Evolution

Über Sponsoren und den Informationskanal Internet wird diese Bewegung auch in Deutschland stark gefördert. So erhalten Lehrer beispielsweise kostenloses Informationsmaterial zur Schöpfungsgeschichte und aus verschiedenen Schulen ist bekannt geworden, dass die Schöpfungslehre teilweise sogar in den Biologieunterricht Einzug gehalten hat.

Hinter der Bewegung stehen zu einem großen Teil die Evangelikalen, die eine Glaubensrichtung im Protestantismus bilden. Diese Gruppe stützt sich auf die historische Korrektheit der Bibel und nimmt diese als Basis für sämtliches Wissen. Erkenntnisse, die mit diesem Irrtums freien Wissen kollidieren, werden nicht zugelassen, da die Bibel als auf Gottes Worten basierend über menschlicher Wissenschaft steht.
In Deutschland machen Evangelikale 1-3% der Gesamtbevölkerung aus, die Deutsche Evangelische Allianz ist mit (laut eigenen Angaben) 1,3 Millionen Mitgliedern deren größte Vertretung.

adherents Anteil religiöser Menschen an der Gesamtbevölkerung amerikanischer Bezirke

Basierend auf der Annahme, die Bibel sei fehlerfrei und definitiv Gottes Wort, ergibt sich in der Konsequenz, dass die Evangelikalen im Allgemeinen die scheinbare Zufälligkeit der wissenschaftlichen Welterklärung angreifen, im Speziellen scheint man die Evolutionstheorie als zentrales Feindbild ausgemacht zu haben. In dem Sinne habe ich mir einmal die Abteilung “Für Zweifler” auf einer evangelikalen Homepage (http://www.evangelikal.de) angeschaut. Hier soll Aufklärungsarbeit geleistet und der irregeführte Atheist auf den rechten Pfad geführt werden. “Offener Brief an einen Atheisten”:

Auf den eigentlichen Brief gehe ich bei Bedarf gerne nochmal ausführlicher ein, allerdings lässt er sich auch kurz zusammenfassen. Auch hier wird dem Atheisten ein Glaube angehängt und dem Menschen ganz allgemein ein Anspruch auf die Beurteilung anderer Menschen oder Handlungen abgesprochen, da solche Beurteilungen nur im Rahmen einer übergeordneten Instanz, Gott, möglich wären. Es wird betont, dass der atheistische Mensch ein Produkt aus Zufällen ist und, interpretiere ich den Text richtig, in letzter Konsequenz keine Seele haben kann. Hier könnte man seitenlang diskutieren, was eine Seele letztendlich eigentlich ist, ich bin mit meinen seelenlosen, atheistischen chemischen Reaktionen im Gehirn aber eigentlich ganz zufrieden… und nun geht’s los:

Wußtest Du, daß ein Grundsatz der Informatik ist, daß Information nicht von selbst - also zufällig - entsteht? Ohne Software (= Information) läuft kein Computer. Und Software entsteht bekanntlich nicht von selbst. Da könnte man ruhig eine Million Jahre warten, ob auf dem Computer Software entsteht - es wird nicht geschehen.
....aber man meint, daß die komplexeste und perfekteste Information überhaupt - die DNA - gegen die all unsere Software ein Fliegenschiß ist, von selbst entstanden ist
.”
Ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass die Entstehung der DNA gerne als “Paff, plötzlich war sie da” gesehen wird. So lässt sich auch einfacher dagegen argumentieren. Dass aber auch die DNA einem evolutiven Prozess unterworfen ist, das lässt sich aus dem “Argument” nicht ablesen. Zumal es in jüngster Vergangenheit sogar gelungen ist, die für den Aufbau der DNA grundlegenden Basen und Ribosen aus anorganischem Material herzustellen.

Wußtest Du, daß es ein ehernes Gesetz der Physik gibt, nach welchem Energie niemals aus dem Nichts entsteht? Die Energie verändert nur ihren Zustand: Durch die Verbrennung wird chemisch gebundene Energie zu Kraft und Wärme. Umgekehrt wird aus dem Licht der Sonne durch die Photosynthese chemisch gebundene Energie in Form von Zucker. Jede noch so winzige Form von Energie auf unserem Planeten stammt letztlich von der Sonne. Und die Energie der Sonne stammt aus der im Wasserstoff gebundenen Energie, aus der sich die Kernfusion speist.
....aber man meint, daß das ganze Universum - die Summe aller Energie sozusagen - in einem “Urknall” aus dem Nichts entstanden sei
.”
Die Vorstellung des Urknalls gründet auf der Beobachtung, dass das Universum expandiert. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, das Phänomen zu erklären. Entweder war das Universum schon immer da und begann irgendwann einfach so zu expandieren. Oder man rechnet die Ausdehnung und Ausdehnungsgeschwindigkeit in die Vergangenheit zurück und endet irgendwann in einem Punkt unvorstellbarer Dichte, Temperatur und Energie.
Um das Pseudoargument aufzulösen sei gesagt, dass der angesprochene Energieerhaltungssatz der Thermodynamik nur durch die Existenz der herrschenden Naturgesetze Gültigkeit besitzt. Nun gab es in den ersten Momenten (blöder Ausdruck, auch die Zeit entstand schließlich erst mit dem Urknall) weder die Naturgesetze so wie wir sie heute kennen, noch gab es Raum oder Zeit und aus was das Universum letztendlich entstanden ist, wird wohl für sehr lange Zeit oder sogar für immer ein Rätsel bleiben.
Wem hier die alternative Erklärung “Gott war’s” mehr zusagt, bitteschön. Die Wissenschaft hat schließlich noch keine bessere Erklärung parat ;)

Wußtest Du, daß die zentrale Behauptung der Evolutionstheorie lautet, daß sich in der natürlichen Auslese stets nur diejenigen Eigenschaften durchsetzen, die beim Überleben nützlich sind? Doch sind sämtliche Organe unseres Körpers nur dann nützlich, wenn sie funktionieren und vollständig sind. Wem nützt ein unvollständiges Auge? Welchem Tier nützt die Vorstufe eines Flügels, mit dem es weder fliegen noch gleiten kann? Welchem Tier nützt ein Herz, das nicht entwickelt genug ist, um Blut zu pumpen? Die Natur ist voll von Dingen, die nur im fertigen Zustand nützlich sind. Nach der Evolutionstheorie hätten aber alle Vorstufen davon aussterben müssen, weil nur das - zumindest einigermaßen - entwickelte Organ zu etwas nützlich ist.
....aber man meint, daß sich die Eigenschaften aller Lebewesen aufgrund von evolutionären Prozessen durch Auslese entwickelt haben
.”
Wie in einem anderen Post schon erwähnt: das “jetzt” ist nicht das Ende, das Ziel oder der angestrebte Entwicklungsendpunkt. Vielmehr ist jedes Lebewesen, das je existierte oder existieren wird, nur eine Zwischenform zum nächsten. Es gibt keine Entwicklungsschritte im eigentlichen Sinne, die Evolution ist ein fließender Prozess. Nur die menschliche Beschreibung dessen, was in der Evolution vorgeht, so zum Beispiel die Definition des Begriffs “Art” und die Abgrenzung von anderen Arten, lässt sie wie einen Prozess, der von Stufe zu Stufe schrittweise fortläuft, erscheinen. Hier muss ich aber selbst noch einmal nachlesen, was Beispiele angeht. Ich kann es mir leider nicht so leicht wie der Autor der Evangelikalen machen und muss Beweise anstelle rhetorischer Fragen bringen.

Der nächste Punkt ist mir zu nichtssagend, um darüber großartig Worte zu verlieren. Also weiter…

Ist Dir klar, daß Atheismus ein Glaube ist? Selbst wenn Du glaubst, es gäbe keinen Gott, glaubst Du. Ein Christ begründet seinen Glauben mit den Erfahrungen, die er mit Gott gemacht hat. Oder mit der Überzeugungskraft von Gottes Wort. Oder mit der Veränderung, die Gott geschenkt hat. Aber womit begründest Du Deinen atheistischen Glauben? Mit dem Verhalten irgendwelcher Menschen (“Religionskriege” etc.)? Spricht denn deren Verhalten objektiv gegen die Existenz Gottes? Dann spräche aber das Verhalten vieler Atheisten für die Existenz Gottes, nicht wahr?
Oder begründest Du Deinen atheistischen Glauben mit bestimmten Ereignissen, von denen Du meinst, daß sie nicht geschehen könnten, wenn Gott da ist? Könnten diese Ereignisse nicht ebenso gut bedeuten, daß Gott einfach nur anders ist, als Du meinst?
Ich denke, daß Du auch als Atheist nicht ernsthaft leugnen kannst, daß Gott möglich ist
.”
Hier ist genau der Punkt, den ich in einem anderen Post absichtlich stark betont habe. Nein, mein Glaube ist nicht, dass Gott nicht existiert. Ich glaube nicht, dass Gott existiert. Genauso wenig, wie ich daran glaube, dass morgen die Sonne auf die Erde stürzt. Für beides habe ich keinerlei Anhaltspunkte – wozu also den Kopf darüber zerbrechen?
Nochmal in aller Klarheit: es gibt keinen atheistischen Glauben. Theismus ist der Glaube, Atheismus (man beachte die Wortherkunft) das Gegenteil. Was gibt’s da nicht zu verstehen?

atheism 
Viele Gläubige begehen den Fehler, das Nichtglauben der Atheisten mit einem Glauben an Gottes Nichtexistenz gleichzusetzen.

Falls Du Dir darüber im Klaren bist, daß Gott trotz Deines atheistischen Glaubens möglich ist - hast Du dann schon einmal darüber nachgedacht, daß Du als Atheist eigentlich immer nur verlieren kannst?
Wenn Du mit Deinem Atheismus Recht hättest, hättest Du keinen Vorteil. Denn für Dich wäre mit dem Tod ebenso “alles vorbei” wie für mich. Hinzu kommt, daß Atheisten schon in diesem Leben im Nachteil sind: Im statistischen Schnitt haben Atheisten gegenüber gläubigen Christen eine signifikant niedrigere Lebenserwartung, bezeichnen sich in Umfragen fast doppelt so häufig als “unzufrieden”, haben eine bedeutend höhere Scheidungs- und Selbstmordrate, sind öfter krank und haben erheblich häufiger mit Drogen- und Alkoholproblemen zu kämpfen. Dies mag man psychologisch erklären wollen - aber es sind Fakten
.”
Von denen wusste ich bisher nichts. Die Statistiken dazu würde ich gerne einmal sehen, mir ist nur bekannt, dass Theisten im Schnitt einen geringeren IQ haben…

Wenn ich aber als Christ Recht habe, dann sieht es für Dich noch viel schlechter aus. Dann erwartet Dich nach dem Tod die Hölle. In Ewigkeit.
Am Atheismus festhalten zu wollen, ist daher - rein äußerlich betrachtet - ein höchst unlogisches Vorhaben
.
Ich meine jedenfalls, daß es nicht besonders vernünftig ist, an etwas festzuhalten, womit man in jeder denkbaren Alternative nur verlieren kann - und unbesehen das zu verwerfen, was die einzige Hoffnung sein könnte.”
Also am Besten wie unsere Umweltkanzlerin das Fähnchen in den Wind halten und hoffen, dass am Ende alles gut wird?

Ich kann es total verstehen, daß Du skeptisch bist. Ich kann es verstehen, daß Du nicht von heute auf morgen Deine Meinung änderst. Aber Du müßtest als Atheist eigentlich nichts Dringenderes zu tun haben, als zu prüfen, ob nicht doch etwas anderes, weniger aussichtsloses die Wahrheit sein könnte. Aber merkwürdigerweise waren die meisten Atheisten, mit denen ich zu tun hatte, in glaubensmäßiger Hinsicht lethargisch und desinteressiert. Sie folgten einfach nur ihrer vorgefaßten Meinung, ohne diese hinterfragen oder auch nur ernsthaft begründen zu wollen.
Es ist bequem, nicht nachzudenken
.”
Ich sehe mich genauso wenig dazu berufen, die Existenz Gottes zu überprüfen, wie nachzuschauen, ob vor meinem Haus ein Riss in der Raumzeit entstanden ist. Zumal Gott per definitionem nicht überprüfbar ist. Außerdem frage ich mich, wieso Gläubige die Weltsicht des Atheisten so gerne als aussichtslos und deprimierend darstellen. Empfinde ich nicht so. Den Rest gebe ich gerne unverändert dem Autor zurück…

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